Bibliothek
Die ehemalige Bibliothek der Kartause Buxheim
1883 trat nicht nur das berühmte Buxheimer Chorgestühl seine ungewisse Reise aus der ehemaligen Kartause Buxheim, ab 1810 Residenz der Grafen Waldbott von Bassenheim, an. Versteigert wurden in den Jahren 1883 und 1884 aufgrund des wirtschaftlichen Schieflage der Bassenheim neben vielen Kunstwerken auch die berühmte Buxheimer Bibliothek.
Diese gehörte zu Beginn des 16. Jahrhunderts bereits zu den bedeutendsten Klosterbibliotheken Europas, wie der Mediävist Prof. Dr. William Whobrey (Yale; Stanford) in seinen Studien zur Kartausenbibliothek im Jahr 2002 feststellte. Im ersten Jahrhundert seit der Gründung der Buxheimer Kartause Maria Saal im Jahr 1402 war insbesondere durch die Bücherschenkungen des Kartäusermönchs Johannes Wigg und des großen Gönners Hilprand Brandenburg ein beachtlicher Bestand angewachsen, darunter wertvolle Handschriften (über 500!) und Frühdrucke (Inkunabeln). Die Schrift- und Buchkultur nimmt in den Statuten der Kartäuser eine herausragende Rolle ein, was sich immer wieder in den erhaltenen Beständen und überlieferten Aufzeichnungen widerspiegelt.
Die Buxheimer Bestände wurden 2012/2013 digital erfasst von Reinhold Brattke und von Dr. Stefanie Bilmayer-Frank M.A. mit Unterstützung der Universitätsbibliothek Augsburg (Dr. Günter Hägele) katalogisiert.
Die Kataloge sind als PDF-Dateien einsehbar:
Den umfassendsten Kenntnisstand und neueste Forschungen hat Dr. William Whobrey (heute Monterey/California) auf seiner Website zur Buxheimer Kartausenbibliothek dokumentiert,
darunter finden sich viele interessante, wenig bekannte oder bisher unbekannte Hintergründe, Aspekte und Funde zur Bibliothek:
https://buxheimlibrary.org/
...
Im weiteren Verlauf der Buxheimer Bibliotheksgeschichte, die auch anhand der z.B. in Berlin (Staatsbibliothek) erhaltenen Inventare teilweise rekonstruiert werden kann, lässt sich interessanterweise beobachten, dass keineswegs nur theologische oder ordens- und kirchenrechtliche Schriften die Regale füllten. Vielmehr kamen auch historische, geographische und philosophische sowie sogar musikalische Werke dazu, zum einen der Sammelleidenschaft der Mönche, zum andern der mehr oder minder zufälligen Zusammensetzung der Schenkungen geschuldet.
Die Bibliothek war ursprünglich im oberen Stock eines Gebäudes an Stelle der heutigen Annakapelle sowie – vor allem die liturgischen Bücher – in der Sakristei untergebracht. Im Rahmen der Barockisierung entstand an anderer Stelle, über der Magdalenenkapelle, 1710 ein neuer Bibliothekssaal in der Ausstattung von Johann Baptist Zimmermann. Die Bücher wurden hier allerdings nicht benutzt, sondern wechselweise in jeweils wenigen Exemplaren vom amtierenden Bibliothekar an die Priestermönche ausgegeben, zum geistlichen Studium oder für Schreibarbeiten in ihren Zellenhäusern.
Bis zur Auflösung des Klosters im frühen 19. Jahrhundert muss wohl von einem Bestand von ca. 17.000-18.000 Titeln, darunter etwa 700 Handschriften und über 1700 Frühdrucke (Inkunabeln), ausgegangen werden. Nach der Versteigerung 1883/84 wurden die Jahrhunderte alten Bände in alle Welt zerstreut.
Der Heimatdienst Buxheim e.V. konnte seit den 1980er Jahren über 1150 Titel zurückerwerben (darunter 60 Handschriften), die im Jahre 2012/13 mit wissenschaftlicher Hilfe (u.a. UB Augsburg) erfasst wurden und demnächst auf der Kartausenhomepage als Katalog erscheinen.
Unter der Internetadresse www.yale.edu/buxheim hat William Whobrey die Handschriftenbestände der spätmittelalterlichen Bibliothek virtuell rekonstruiert und darüber hinaus alle verfügbaren ehemaligen Buxheimer Handschriftenbestände in Bibliotheken rund um den Erdball aufgeführt.
Neben den Forschungen Whobreys hat sich auch die Bibliothekswissenschaftlerin Magda Fischer (Stuttgart) mit der Buxheimer Bibliothek vor allem im 18. und frühen 19. Jahrhundert beschäftigt; grundlegend zu den Rahmenbedingungen der Kartausenbibliothek ist nach wie vor das monumentale siebenbändige Werk Dr. Friedrich Stöhlkers zur Kartause Buxheim.
Zukünftige Aufgaben des Heimatdienstes Buxheim e.V. in Bezug auf die ehemalige Bibliothek werden unter anderem gezielte Rückkäufe, die konservatorische Sicherung der Bestände und die Unterstützung wissenschaftlicher Auswertung sein.
Auswahl an Stichen: